Manifest der Content Moderator*innen

Dieses Manifest wurde in enger Zusammenarbeit mit Content-Moderatorinnen auf dem Content Moderators Summit in Berlin am 9. und 10. März 2023 erstellt. Das Manifest fordert ein Ende der Ausbeutung im Bereich der Social Media Content-Moderation. Der Summit wurde von den Non-Profit-Organisationen Foxglove, SUPERRR Lab, Aspiration sowie der deutschen Gewerkschaft ver.di organisiert. Das Manifest wurde im Rahmen eines Fachgespräches im Ausschuss für Digitales zu den Arbeitsbedingungen von Content- Moderatorinnen am 14. Juni veröffentlicht.
Wir, die Content-Moderator*innen von Facebook, TikTok, Majorel und Telus, sorgen für die
Sicherheit der Menschen online. Ohne uns würden die Social Media-Unternehmen über Nacht
zusammenbrechen. Trotzdem werden wir von diesen Unternehmen ausgebeutet und
schikaniert. Doch wir werden nicht länger schweigen. Wir fordern einen branchenweiten
Wandel. Soziale Medien können niemals sicher sein, solange unsere eigenen Arbeitsplätze
nicht sicher sind.

  1. Die Moderation von Inhalten ist eine hochqualifizierte Arbeit. Unsere Arbeit erfordert
    kulturelle und sprachliche Kompetenz, ohne uns könnten die sozialen Medien nicht
    existieren. Unsere Gehälter und Arbeitgeberzusatzleistungen müssen dies
    widerspiegeln.
  2. Angemessener Urlaub und Pausen. Obwohl wir tagtäglich schädlichen Inhalten
    ausgesetzt sind, erhalten wir keine Gefahrenzulage. Wir fordern, dass die Unternehmen
    zusätzlich eine Gefahrenprämie von mindestens 35 % des Jahresgehalts eines/einer
    Moderators*in bereitstellen. Klare Richtlinien, die uns einen angemessenen
    Freizeitausgleich, Urlaub, Pausen, Überstunden und Aufstiegsmöglichkeiten bieten,
    müssen konsequent umgesetzt werden.
  3. Für alle Content-Moderatorinnen muss eine angemessene psychologische Betreuung gewährleistet sein. Die Moderation von Inhalten birgt erhebliche Risiken für unsere psychische Gesundheit, wie z. B. Depressionen, Angstzustände, Schlaflosigkeit und posttraumatische Belastungsstörung. Jedes Unternehmen muss sich von unabhängigen Expertinnen über wirksame Schutzmaßnahmen beraten lassen und die
    Empfehlungen unverzüglich umsetzen. In der Zwischenzeit muss der Zugang zu
    unabhängigen Psycholog*innen rund um die Uhr zur Verfügung stehen.
  4. Die Kultur der Geheimhaltung und der Einschüchterung muss ein Ende haben. Wir
    werden gezwungen, Geheimhaltungsvereinbarungen zu unterzeichnen, die uns zum
    Schweigen zwingen sollen. Keine Geheimhaltungsvereinbarung kann uns legitimerweise
    davon abhalten, Bedenken über die Bedingungen unserer Arbeit zu äußern. Wir müssen
    über die Bedingungen unserer Arbeit sprechen dürfen und die Möglichkeit haben, uns
    arbeitsrechtlich zu organisieren. Die strengen Geheimhaltungsvereinbarungen dazu
    müssen mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden.
  5. Die Social Media-Unternehmen müssen die Content-Moderator*innen dabei
    unterstützen, sich kollektiv zu organisieren, Tarifverhandlungen zu führen und
    einer Gewerkschaft ihrer Wahl beizutreten sowie branchenweite Betriebsräte zu
    bilden.
  6. Die Auslagerung der Content-Moderation an externe Dienstleister*innen muss
    beendet werden. Die sicherheitsrelevante Arbeit der Content-Moderation muss von
    jedem Social-Media-Unternehmen selbst übernommen werden. Bei dieser Umstellung
    darf es keine Ungleichbehandlung bei der Entlohnung oder den Sozialleistungen
    zwischen denjenigen von uns geben, die jetzt schon direkt angestellt sind, und
    denjenigen, die momentan über Drittunternehmen arbeiten.
  7. Jegliche repressive und unangemessene Überwachung und algorithmische
    Steuerung muss abgeschafft werden.
  8. Die Social-Media-Unternehmen müssen sicherstellen, dass gleiche Arbeit auch
    gleich entlohnt wird. Es muss sichergestellt werden, dass Arbeitnehmerinnen unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsland gleich behandelt werden. Wir sind Content-Moderatorinnen in Deutschland, aber wir sind solidarisch mit unseren
    Kolleg*innen auf der ganzen Welt, die die gleiche Arbeit für einen Bruchteil des
    amerikanischen oder europäischen Lohns und unter weitaus härteren Bedingungen
    leisten. Dieser digitale Kolonialismus muss beendet werden, indem alle Unterschiede
    bei der Bezahlung, den Leistungen und den Arbeitsbedingungen beseitigt und unsere
    Standards weltweit vereinheitlicht werden.

Hier seht ihr die Live Schalte aus dem Digitalausschuss und einen Beitrag des ARD Mittagsmagazins vom 14.06.2023:

Content Moderatoren: Zum Abschied wünschen sie sich „Gute Besserung” | ver.di (verdi.de)

ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft auf Twitter: „Sie sehen grausame Dinge, damit wir sie nicht sehen müssen: Content Moderator:innen. Jetzt organisieren sie sich in ver.di, denn ihre Arbeit muss sicherer werden. Nicht nur AG auch Politik sind gefragt. #Digitalausschuss https://t.co/99JrZUueJJ“ / Twitter
oder auch bei Reuters:
Social media moderators in Germany seek improved working conditions in battling toxic content | Reuters

Wir stellen zunehmend fest, dass Callcenter den Arbeitsbereich „Content Moderation“ für sich entdecken und Töchterfirmen gründen, um diese Branche in ihr Portfolie mit aufzunehmen. Somit ist es durchaus auch für derzeitige Callcenterbeschäftigte sinnvoll, sich für die Bedingungen der Content Moderatoren zu interessieren und sich für gute Arbeit dort stark zu machen.

Wir supporten derzeit die Wahlvorstände und eine ver.di Liste zur Betriebsratswahl bei Telus International CCC Digital GmbH in Essen und freuen uns, wenn hier schon ganz bald die ersten Schritte gegangen werden können, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen.

https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7554708&url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk=&mod=mediathek

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