Gehalt / Tarifverträge
Leitbild: Kollektive Regelungen müssen her
Das Gehalt für die Arbeit im Call Center muss ein ausreichendes Auskommen ermöglichen. Bei der Berechnung sind alle Fähigkeiten und Kenntnisse sowie alle Anforderungen und Beanspruchungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden weitere auch materielle Leistungen gewährt, die von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern üblicherweise zur Guten Arbeit gerechnet werden (materiell z.B. Sonderzahlungen, vermögenswirksame Leistungen, Zuschläge für Mehrarbeit oder Arbeiten zu ungünstigen Zeiten).
Es gilt: alle Ansprüche werden kollektiv und vorzugsweise durch Tarifverträge gesichert. Gerade bei den freien ungebundenen Call Center-Dienstleistern ist das Einkommensniveau so gering, dass dort viele Beschäftigte auf ergänzende staatliche Leistungen (Hartz IV) angewiesen sind.
In den Call Centern arbeitet jeder Zweite für Niedriglohn, das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums eine Frage der Linken hervor. Gearbeitet wird Vollzeit, verdienst wird weniger als 2.139€ Brutto. Und das betrifft etwa 70.000 Beschäftigte in der Call Center Branche. Mitte 2018 waren 53,5 Prozent der Arbeitnehmer*innen mit Vollzeitjob in Call Centern betroffen. Sie lagen damit unterhalb der Niedriglohn-Schwelle von zwei Dritteln des mittleren Entgelts. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Call Center-Beschäftigten gestiegen – von 90.456 Mitte 2010 auf 134.249 Ende Juni 2018. es ist wie ein Teufelskreis: während die Call Center Branche wächst, speist sie ihre Beschäftigten mit Niedriglöhnen ab. Beschäftigte in ungebundenen Call Centern verdienen meist weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in unternehmenseigenen Inhouse-Call Centern, was dazu führt, dass Lohndumping einen Reiz für jene Unternehmen darstellt, ihren Kundenservice auszulagern. Würden aber alle Call Center Unternehmen mit Hilfe eines Tarifvertrages dieselben guten Löhne zahlen, würde es zu keinem Unterbietungs-Wettbewerb und zu keiner Auslagerung kommen, was zu Lasten der Beschäftigten geht.
Inhalte von Tarifverträgen
Die Themen, die Tarifverträge regeln, können hier nicht abschließend dargestellt werden. Zunächst muss der Blick auf Situation und Fakten des Betriebes und der Branche gerichtet werden. Bei Haus-, Unternehmens- oder Konzerntarifverträgen sind jeweilige Besonderheiten einzubeziehen. Letztendlich sind aber alle Arten von Forderungen – auch nicht materielle – möglich, wenn sie von der Belegschaft gewollt und unterstütz werden. Regelungsbeispiele von Tarifverträgen in Call Centern können z.B. sein:
- Höhe und Struktur der Entgelte
- Arbeitszeiten, Überstunden, Zuschläge
- Struktur und Höhe von Leistungsentgelten
- Dauer des Urlaubs
- Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall
- Haftungsbedingungen
- Höhe von Sonderzahlungen
- bezahlte Freistellungen von der Arbeit
- Regelungen von Kündigungsfristen
- Ansprüche für Weiterbildung
- Regelungen zu Arbeitsplatzgestaltung
- Vereinbarungen zum Gesundheitsschutz
- Teilzeitarbeit und Rückkehr daraus
- Sonn- und Feiertagsarbeit
- Arbeitsbefreiung, Probezeit, Zeugnis usw.
- Kündigungsschutzregelungen
- Bereitschaftszeiten, Herbeirufung
- Zielvereinbarungen und Monitoring
Im Vergütungs- oder Entgelttarifvertrag sind die jeweils besonderen Tätigkeitsmerkmale zu benennen und in einem Gruppenplan den verschiedenen Entgeltgruppen zuzuordnen. Die Tätigkeitsmerkmale sollen die Arbeit aller Beschäftigten im Geltungsbereich erfassen und nicht nur die Tätigkeiten der Call Center-Agent*innen (Kundenbetreuer*innen). Also nicht nur Inbound, Outbound, technischer Support, secondlevel, Teamleitung usw., sondern zum Beispiel auch Tätigkeiten der klassischen Verwaltung (Sekretariat, Sachbearbeitung, Personal, Marketing usw.) oder aus dem EDV-Bereich (Datenbankbetreuung, EDV-Technik usw.).
Sollen neben der Grundvergütung auch leistungsbezogene Entgelte gezahlt werden, empfiehlt sich die Regelung der Rahmenbedingungen (z.B. Bewertungsstruktur, Bonussystem und Anspruchssicherung). Da die Call Center-Betreiber keinen Tarifverband gebildet haben, sind die gezahlten Entgelte meist abhängig von regionalen Wettbewerbsbedingungen. Ein guter Organisationsgrad der Belegschaften hilft mehr durchzusetzen.
Durchsetzungsmöglichkeiten
Gute Tarifverträge werden nicht geschenkt, sondern müssen durch die Belegschaft erstritten werden. Deshalb ist der wichtigste Punkt zur Durchsetzung von Tarifforderungen der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Belegeschaft. Gute Argumente allein reichen nicht, um gute Tarifergebnisse zu erzielen. Eine Verhandlungskommission ist nur stark, wenn die Beschäftigten im Betrieb bereit sind, für ihre Forderungen Druck zu machen und notfalls auch zu streiken. Je mehr es sind, desto größer ist der Druck auf die Geschäftsführung.
Hilfreich ist es, wenn das Ziel „Tarifvertrag“ auch in den betriebsrätlichen Mitbestimmungsgremien verankert ist. Tarifverträge und Entgelte haben einen hohen Stellenwert und sollten ständig auf Betriebsversammlungen thematisiert werden. Die Einbindung der Beschäftigten kann zum Beispiel beginnen mit Umfragen nach dem Motto: „Was ist euch wichtig?“
Best Practice: auch kleine Schritte sind wirksam
In einigen Call Centern gibt es bereits tarifverträgliche Regelungen – oft sind dies branchenspezifische Dienstleister oder Ausgründungen aus großen Unternehmen / Konzernen. Einen „Branchentarifvertrag“ für die freien, branchenunabhängigen Call Center gibt es aber noch nicht. Oft hilft es mit den kleinen aber brennenden Themen im Betrieb zu beginnen – ungerechte und belastende Arbeitspläne, hoher Arbeitsdruck usw. Auch einfache kollektive Aktionen der Belegschaften helfen die Bereitschaft zu erhöhen, sich für Verbesserungen im Betrieb- und Personalräten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Sie schaffen die Grundlage, um schließlich auch die Gehaltsfrage auf die Agenda zu setzen.
>>Wozu ein Tarifvertrag gut ist, siehst du hier<<
Der Arbeitsvertrag
Was ist der Arbeitsvertrag wert?
Was ein Arbeitsvertrag korrekterweise im Einzelnen enthalten muss, ist per Nachweisgesetz bestimmt. Nach Unterschriftsleistung sind beide Seiten an die im Arbeitsvertrag geregelten Bedingungen gebunden, es sei denn, in diesem sind sittenwidrige oder tarifwidrige Regelungen enthalten. Vor Unterschriftsleistung unter einen Arbeitsvertrag empfiehlt es sich deshalb, diesen prüfen zu lassen. Und auch ein bereits abgeschlossener Arbeitsvertrag kann natürlich überprüft werden. Alle ver.di Mitglieder können dies über ihre zuständige ver.di Geschäftsstelle vornehmen lassen.
Will der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag oder einzelne Bestandteile des Arbeitsvertrages ändern, geht dies nur auf zwei Wegen:
a) mit ihrem Einverständnis
Dies bedeutet, dass die Änderung mit Ihrer Zustimmung umgehend zum Tragen kommen kann. Daher ist Vorsicht geboten. Verlangen Sie in jedem Fall Bedenkzeit.
b) durch eine Änderungskündigung
Dies bedeutet, er kündigt Sie fristgemäß und beitet Ihnen gleichzeitig eine Weiterbeschäftigung zu veränderten Vertragsbedingungen nach Ablauf der Kündigungsfrist (z.B. Verkürzung der Arbeitszeit, niedriges Gehalt) an. Hier haben Sie drei Reaktionsmöglichkeiten:
- Sie nehmen die Änderungskündigung vorbehaltlos an. Diese wird dann nach Ablauf der Kündigungsfrist wirksam.
- Sie nehmen das Angebot vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung an, d.h., das Gericht entscheidet über die angebotene Änderung. Hält es diese für gerechtfertigt, arbeiten Sie zu den veränderten Bedingungen weiter, hält es diese für nicht gerechtfertigt, gilt ihr alter Arbeitsvertrag fort. Zur gerichtlichen Überprüfung muss eine entsprechende Klage erfolgen.
- Sie lehnen das Angebot generell an. Damit endet ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist.
Für ver.di Mitglieder:
Bevor Du dich entscheidest, verlange Bedenkzeit. Lasse Dich durch uns über die möglichen Folgen informieren. Denn einmal gegebene Zusage bzw. geleistete Unterschrift ist in der Regel bindend. Lehne nicht generell jedes Angebot ab, stimme diesem aber auch nicht sofort zu, sondern lass Dich individuell beraten, welche Folgen eine Unterschriftsleistung für Dich konkret haben kann. Verlange Angebote zur Änderung des Arbeitsvertrages immer schriftlich und lass Dich nicht unter Zeitdruck setzen, denn wenn der Arbeitgeber eine sofortige Entscheidung und Unterschriftenleistung verlangt und keine Bedenkzeit gewähren will, ist von vorhandenen „Fallstricken“ auszugehen. An wen du dich bei rechtlichen Fragen wenden kannst, findest du in der Hauptnavigation unter Ansprechpartner.
Betriebsvereinbarungen
ver.di – Betriebsvereinbarungen – betreffen jeden, auch Dich!
Die Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, in dem gegenseitige Rechte und Pflichten begründet und verbindliche Normen (wie ein Gesetz oder Tarifvertrag) für alle KollegInnen ebenso wie für den (heutigen und künftigen) Eigentümer bzw. den Mutterkonzern eines Betriebes verbindlich formuliert werden. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung stellt die wichtigste Form der Ausübung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats dar. Eine Betriebsvereinbarung bietet die Möglichkeit, auf betrieblicher Ebene die Arbeitsbedingungen der KollegInnen in deren Interesse kollektiv zu gestalten und zu deren Schutz Einfluss auf die betriebliche Organisation und Ordnung zu nehmen.
Gesundes Vertrauen ist, wenn man einen Vertrag nicht einklagen muss. Blindes Vertrauen ist, wenn man gar keinen Vertrag hat.
Eine Betriebsvereinbarung kompensiert die Ausübung des ansonsten gültigen Direktionsrechts (d.h.: Es wird nur getan, was der Herr im Haus will). Den auf gesetzlicher Grundlage legitimierten Normen einer Betriebsvereinbarung ist der Arbeitnehmer allein auf Grund seiner Zugehörigkeit zum Betrieb automatisch unterworfen. Betriebsvereinbarungen dürfen grundsätzlich nicht gegen höherrangiges, zwingendes staatliches Recht, wie Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge oder gar EU-Recht – Richtlinien, Verordnungen und Rechtsprechung – verstoßen.
Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass jeder unsere demokratische Rechtsordnung ebenso kennt, wie deren Rangfolge – möchte man meinen. In manchen Unternehmen scheint es dem Vernehmen nach die Meinung/Überzeugung des Personalleiters zu sein, dass Betriebsvereinbarungen mitunter über dem Gesetz stehen und EU-Richtlinien bzw. die daraus erfolgte EU-Rechtsprechung nicht zu beachten ist, bis sie in nationales Recht umgesetzt wurde. Peinlich, wenn er dies z. B. auf Betriebsversammlungen kund tut …
Es gibt mehrere Wege hin zu einer Betriebsvereinbarung…
I. d. R. erarbeiten Betriebsräte auf Basis der Rechte und Interessen der KollegInnen Konzepte und Strategien um diese umzusetzen, bevor sie die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufnehmen. In mittleren und großen Gremien geschieht dies meist durch eine vom Betriebsrat gebildete Verhandlungsdelegation.
Manchmal werden auch Projektteams/ -Gruppen gebildet, die durch Mitglieder des Betriebsrates und dem Arbeitgeber besetzt sind – das ist durchaus auch eine Möglichkeit Verhandlungen zu führen. Jedoch gilt hierbei ganz besonders, dass der Betriebsrat eigene Konzepte und Verhandlungsstrategien entwickelt, bevor er durch seine Delegierten im Projekt tätig wird.
Dabei ist es auch wichtig, dass der Betriebsrat die Belegschaft regelmäßig – insbesondere in den Pflichtbetriebsversammlungen (eine pro Quartal) und durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit – über Verhandlungsstand und Verhandlungsinhalte informiert. Dadurch kann der Betriebsrat zum einen (über)prüfen, ob er sich noch auf dem richtigen Weg befindet und zum anderen verschafft er sich insbesondere in schwierigen Verhandlungsphasen eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Arbeitgeber.
Je nach Thema und Umfang der angestrebten Betriebsvereinbarung können, vom Beginn der Meinungsbildung im Betriebsrat bis zu einem für beide Seiten – Belegschaft und Arbeitgeber – tragbaren Ergebnis, mehrere Monate manchmal auch mehr als ein Jahr vergehen.