Psychische Belastungen erkennen und minimieren

psychische Belastung 

… wird verstanden als die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, de von außen auf dem Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken. Sie sind neutral.

Branchenübergreifend nehmen die psychischen Belastungen und Beanspruchungen zu, was aktuelle Fakten noch einmal belegen:

  • Behandlungskosten psychischer Erkrankungen in Höhe von 26,7 Mrd. € jährlich
  • 59,2 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Störungen, das entspricht einer Zunahme von mehr als 80% seit 1997
  • Verlust der Arbeitsproduktivität aufgrund psychischer Erkrankungen in Höhe von 8 Mrd. €
  • Berentung wegen Erwerbsminderung 2011: 41,0 % der insgesamt zuerkannten Berentungen gehen auf die psychische Störung zurück (ohne Sucht und Psychosen), insgesamt 73.273 Fälle
  • das Durchschnittsalter bei Berentung aufgrund psychischer Störungen beträgt 48 Jahre

Dabei sind die Betriebe gesetzlich verpflichtet, bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen auch hinsichtlich psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. Dies ist erforderlich seit der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes in 2013, außerdem jedoch schon immer aufgrund einschlägiger Regelwerke:

  • Bildschirmarbeitsverordnung (seit 1996)
  • Berufsgenossenschaft (BGI) 650: „Leitfaden für Büroarbeitsplätze“
  • DIN EN ISO 10075: „Ergonomische Grundlagen bzgl. psychischer Arbeitsbelastungen“ und „Humankriterien der Arbeit“ oder das „Prinzip der vollständigen Tätigkeit“

Trotzdem haben die meisten Betriebe die Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen begrenzt auf Themen des klassischen Arbeitsschutzes wie Büromobiliar, Lichtmessungen, Raumgrößen, Fluchtwege, Unfallgefahren. Faktoren der Arbeitstätigkeit wurden selten berücksichtigt. Nur knapp 20 % der Betriebe berücksichtigen die psychischen Belastungen in ihrer Gefährdungsbeurteilung. Dass „Psychische Belastungen“ bisher in der betrieblichen Arbeitsschutzpraxis unzureichend behandelt werden, hat verschiedene Gründe:

  • die mangelnde Akzeptanz arbeitsbedingter psychischer Belastungen im Betrieb
  • der geringe Verpflichtungsdruck und fehlende Handlungsoptionen für Arbeitgeber
  • die hohe Komplexität des Themas: Verbindung von Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, Arbeitsumgebungsfaktoren und sozialen Beziehungen wird als schwierig handhabbar erlebt und lässt sich nicht durch Ingenieure und Messgeräte messen

Vor diesem Hintergrund haben die staatlichen Aufsichtsbehörden und die Unfallversicherungsträger seit 2012 eine gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie mit dem Schwerpunkt „Psychische Belastungen“ gestartet. Dabei werden unter den Faktoren für eine Gefährdungsbeurteilung explizit auch psychische Belastungen genannt:

  • ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe (z.B. überwiegende Routineaufgaben, Über- und Unterqualifikation)
  • ungenügende gestaltete Arbeitsorganisation (z.B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wechselnde und/oder lange Arbeitszeiten, häufige Nachtarbeit, kein durchdachter Arbeitsablauf)
  • ungenügend gestaltete soziale Bedingungen (z.B. fehlende soziale Kontakte, ungünstiges Führungsverhalten, Konflikte)
  • ungenügend gestaltete Arbeits- und Arbeitsumgebungsbedingungen (z.B. Lärm, Klima, räumliche Enge, unzureichende Wahrnehmung von Signalen und Prozessmerkmalen, unzureichende Softwaregestaltung)

Zur Klarstellung wurde auch das Arbeitsschutzgesetz dahingehend präzisiert, dass sich eine Gefährdung insbesondere ergeben kann durch (…)

  • 4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken
  • 5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
  • 6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

was gute Praxisbeispiele für Betriebsräte sein können, lest ihr unter betriebliche Mitbestimmung

Ein Gedanke zu “Psychische Belastungen erkennen und minimieren

  1. Gratuliere zu diesem gelungenen Web-Auftritt. Sowas wäre für Berlin-Brandenburg auch wünschenswert.
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    Schöne Grüße an die gewerkschaftlich organisierten Webhelper*innen in NRW !
    Unser Blog ist offen auch für Beiträge von anderen Webhelp-Standorten, z.B. in NRW. Die Redaktion freut sich über eure Beiträge und Kommentare!

    Charlotta

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